14.08.2018

Rolling Stone Kritik: Arcade Fire in Berlin – Alle Probleme kompakt

14. August 2018 von

"Win Butler will kein Star sein, aber innerhalb weniger Minuten präsentiert er sich als genau das. Und er wirkt dann wie ein sehr, sehr abgebrühter Pop-Star.
Es ist noch hell in der Spandauer Zitadelle, als Butler einen Zuschauer in der ersten Reihe auffordert, sein Handy runterzunehmen, weil er nicht gefilmt werden will. Wäre die Sonne schon untergegangen, Butler hätte den Fan vielleicht nicht bemerkt. Was ist so schlimm daran, sein Idol aufzuzeichnen? Es nervt, anscheinend, dem Sänger kam wohl der „why don’t you just live in the moment“-Gedanke in den Sinn usw. Aber man wird halt auch schon mal gefilmt, wenn man etwas bekannter ist. ...

Diese fünfte Platte „Everything Now“ sollte eben auch ihre erste sein, die nicht wie ein Heiligtum verehrt wird. Schon gleich nach Veröffentlichung vergangenen Sommer ging Butler unnötigerweise in die Defensive, als er glaubte Rezensenten erklären zu müssen, dass er auf der Platte gar nicht rappt.
Schon irre: Mega-euphorisiert recken die Leute nun bei „Everything Now“ die Fäuste in die Höhe, brüllen den Titel fordernd in die Nacht: „Alles, und zwar Jetzt!“ Bleibt zu hoffen, dass sie die Zeile davor auch mitgenommen haben, denn die sang kaum einer mit: „STOP PRETENDING … you’ve got everything now“. „Leute, hört auf euch was vorzumachen“: Das Lied verhöhnt eigentlich die Menschen, die alles wollen.
Win Butler ist 38 und genau im „Discotheque“-Alter Bonos, dem Sänger, von dem viele hofften, Butler könnte ihn beerben, minus eben des routinierten Pathos von U2. Aber Arcade Fire wirken jetzt schon viel älter als U2 1997, die damals schon im 21. Jahr ihrer Karriere steckten und mindestens drei Häutungen durchliefen, um der Zeit gerecht zu werden.
Und es schaut nicht unbedingt optimal aus für Arcade Fire. Heutzutage, da Alben immer unbedeutender werden, erscheint ihr nächstes Album womöglich erst 2021. Das macht zwei Longplayer pro Dekade und umso größeren Druck, jedesmal etwas von Bestand zu erschaffen. Butler wäre dann 41, die zweite treibende Kraft der Band, Régine Chassagne, 44. Jedes Thema muss dann sitzen, Arcade Fire unterfütterten ihre Werke stets mit Konzepten: „die Vororte“, „die Clubmusik“, „die Beerdigung“. Worüber singt das Paar als Nächstes, wenn ihre aktuelle Kapitalismus- und Netzkritik so zielunsicher war?
... 
Aber acht Songs aus „The Suburbs“ zu bringen, einem Album, das vor acht Jahren erschien (sieben Lieder davon in Folge, so etwas hatten sie nicht mal zur eigentlichen Platten-Tour 2010 gewagt) – das ist schon ein echtes Statement zur eigenen Bewertung der Diskographie. Genauso Statement wie der komplette Verzicht von „Neon Bible“-Material, dem großen „Neon Bible“, dessen einzige Sünde nach Ansicht der Band wohl sein muss, dass es so gut und ähnlich wie ihr Debüt „Funeral“ ist, also nicht als „Weiterentwicklung“ durchgeht.Aber was soll man sagen: „Wake Up“, ihr größter Hit, kam an diesem Abend gleich als Eröffnungsstück. Das ist eine Ansage wie bei den Rolling Stones, die bei manchen Tourneen flugs mit „Satisfaction“ als Opener einstiegen. Oder, in deutlich kleinerem Maßstab, wie Pavement, die ihre Konzerte schon mal mit „Cut You Hair“ eröffneten.
Was Arcade Fire wollen, Stones oder Pavement, ist noch nicht ganz klar."

via Rolling Stone
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Ich denke das war's dann auch mal vorerst mit Live in Germany. Hauptsache sie können noch in Spanien spielen, so wie der 'Boss' meint. Da mögen einen die Fans immer UND es gibt gutes Essen.