25.03.2020

Asterix-Zeichner: Ein Metaphoriker des Bilds




Er hat uns die schönsten und dicksten Knollennasen der gesamten Knollennasengeschichte geschenkt und den schönsten und dicksten Hinkelsteinlieferanten, der jemals irgendwo Hinkelsteine austrug; er hat unser Bild der Geschichte und der Welt im letzten vorchristlichen Jahrhundert geprägt wie kein Historiker; und die Geschichten, die er zeichnete, führten die Kunstform der Comics, der er sich Zeit seiner künstlerischen Karriere verschrieb, zu ihren größten Triumphen.
Dabei begann seine bekannteste Abenteuerserie mit einer historischen Niederlage: Ein gallischer Häuptling mit Namen Vercingetorix unterwirft sich im Jahr 50 vor Christus dem Herrn einer Besatzungsarmee. Freilich knallt er dem römischen Usurpator Julius Cäsar, wie Uderzo ihn zu Beginn des Comic-Bands Asterix der Gallier 1959 nach einem Szenario von René Goscinny zeichnet, seine Speere und Schilde dabei derart schwungvoll vor die Füße, dass dieser vor Schmerzen in die Luft geht. Mit einer Mischung aus Pfiffigkeit und Gewalt versteht es Vercingetorix hier, seinen scheinbaren Bezwinger Julius Cäsar noch im Moment des Triumphs zu einer Witzfigur zu machen.
In den nächsten Bildern treten dann die Helden auf, deren Abenteuer Uderzo und Goscinny fortan in zahlreichen Geschichten erzählen und die genau dort anknüpfen: der kleine, listige Krieger Asterix, den ein Zaubertrank seines Dorfdruiden Miraculix unbesiegbar macht; und der große, nach Ansicht seiner Mitmenschen (nicht jedoch seiner eigenen) dicke Hinkelsteinlieferant Obelix, der als Kind in einen Kessel mit Zaubertrank gefallen ist und die dadurch erworbene Stärke (zu seinem Leidwesen) zeitlebens nicht mehr aufzufrischen braucht.
Asterix der Gallier ist der erste Band der bis heute erfolgreichsten europäischen Comic-Reihe. Bis heute sind ihre Schöpfer Goscinny und Uderzo der Inbegriff des idealen Comic-Duos geblieben, perfekt im Zusammentreffen eines ebenso witzigen wie selbstreflexiven und politisch anspielungsreich agierenden Texters – und eines Zeichners, dessen schwungvoller Strich ebenso dynamisch und karikaturenhaft wirkte, wie er allergrößten Wert auf grafische Details und, wo sie gewollt war, historische Präzision legte. Wenn es ein Traumteam in der Comic-Geschichte gegeben hat, dann ist es dieses. Etwas mehr als ein Vierteljahrhundert haben beide zusammengearbeitet, von ihrem ersten Treffen im Jahr 1951 bis zu René Goscinnys frühem Tod im Jahr 1977.
Geboren wurde Albert Uderzo 1927 in Fismes bei Reims. Seine erste Lieblingslektüre, hat er sich später erinnert, waren die frühen Mickey Mouse-Comic-Strips aus den US-amerikanischen Tageszeitungen, die bis zum Kriegsbeginn auch in Frankreich zu lesen waren. Schon als Teenager beschloss er, dass er Comic-Zeichner werden wollte. Nach dem Krieg arbeitete er für die Comic-Zeitschrift O.K. und verfertigte für sie Superheldengeschichten im US-amerikanischen Stil, seine ersten Helden hießen zum Beispiel "Arys Buck" und "Belloy, der Unbezwingbare". 1950 heuerte er als Pressezeichner bei dem Magazin France Dimanche und der Tageszeitung France-Soir an.
René Goscinny war zu dieser Zeit gerade aus New York zurückgekehrt, wo er sich fünf Jahre lang vergeblich als Illustrator und Werbegrafiker versucht hatte; sein größtes Vorbild war der Comic-Zeichner Harvey Kurtzman, der das Genre mit seinem anarchischen, selbstreflexiven Humor für ein Publikum von Erwachsenen und Intellektuellen öffnete, insbesondere mit dem Magazin MAD, das er ab 1952 als Chefredakteur betreute. In Paris versuchte Goscinny sich nun ebenfalls als Comic-Zeichner und -Texter, musste allerdings schon bald erkennen, dass sein zeichnerisches Talent nicht ausreichte. Darum war er so froh über die baldige Begegnung mit Uderzo, wie er später erzählte: Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr nach Europa habe er jemanden getroffen, dem es mit dem Zeichnen witziger Comics ebenso ernst war wie ihm. "Damit waren meine Sorgen verschwunden."
Uderzo und Goscinny bildeten sofort ein Team; freilich waren ihre ersten Arbeiten noch weit von dem entfernt, was man heute mit ihrem Werk verbindet, vor allem mit "Asterix". Sie erstellten eine Art wöchentliche Benimmfibel für eine Illustrierte, Werbeillustrationen und einen Comic namens Luc Junior, der sich überdeutlich an der Erfolgsformel der populären Tim und Struppi-Abenteuer von Hergé orientierte. All dies waren Auftragsarbeiten, für eigene Comic-Ideen fanden sie lange Zeit keinen Abnehmer, insbesondere auch nicht für die Idee, einen Comic mit einem genuin französischen Thema zu erschaffen – eigenständig und unabhängig von den in den Fünfzigerjahren in Frankreich noch dominierenden Vorbildern aus den USA und aus Belgien.
Das änderte sich erst 1959 mit der Gründung des Jugendmagazins Pilote, für das Uderzo als künstlerischer Direktor arbeitete und Goscinny als Redakteur: Mit ihm wollten junge Pariser Autoren und Zeichner den belgisch bestimmten, marktbeherrschenden Magazinen Tintin und Spirou eine unabhängige Konkurrenz entgegensetzen. Darum begannen Uderzo und Goscinny auch gleich in der ersten Ausgabe mit ihrer Serie Asterix, die tief in die mythologische Geschichte der französischen Nation zurückgriff: zu den Galliern, jenem gerne verklärten Urstamm, der den römischen Besatzern 50 vor Christus entschlossenen Widerstand leistete. Damit spiegelte Asterix auch das nationale Bewusstsein wieder, "die Franzosen" hätten als moderne Gallier während der Zeit der deutschen Besatzung entschlossenen Widerstand gegen diese geleistet. So dienten die Comics auch als Selbstvergewisserung einer Nation, die sich rückblickend einig glaubte in der Résistance.
Der Erfolg war dementsprechend enorm, die Geschichten erschienen zunächst als Reihe in Pilote und anschließend im gesammelten Albumformat. Schon die Veröffentlichung von Der Kampf der Häuptlinge wurde 1965 in den französischen Medien zu einem nationalen Großereignis stilisiert, 1967 wurde Goscinny zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, zwei Jahre später folgte ihm Uderzo.


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