Zwei Schwestern und eine Freundin: das kalifornische Trio Haim mit „Women in Music Pt. III“ Foto: Vertigo/Universal
Von der Decke baumeln lange Würste, vor der Ladentheke posiert das kalifornische Trio Haim mit ernster Miene. Das Album-Artwork für sein drittes Album „Women in Music Pt. III“ dient offensichtlich als Anspielung auf die Sausage-Party, die der Popmainstream immer noch ausgiebig feiert.
Das Problem liegt nicht nur in der Überrepräsentation von Männern bei Festivals, auch in Studios und hinter dem Mischpult bei Konzerten arbeiten mehr Männer als Frauen, zudem verdienen Künstlerinnen bei Konzerten schlechter als ihre Kollegen, wie das Magazin Musikexpress herausgefunden hat.
Kurz vor dem Lockdown stellte die Band „Women in Music Pt. III“ noch auf einer US-Tour vor. Kurzerhand wurden dafür Delis zu Veranstaltungsorten umfunktioniert. Mit ihrem letzten Album „Something to Tell You“ gastierten Haim auf großen Festivals wie Coachella. Auf dem lassen sich Haim musikalisch wohl auch am besten verorten, schließlich zeichnen sie sich durch ihre eingängige Mischung aus Pop, Folk und Rock aus.
Haim: „Women in Music Pt. III“ (Vertigo/Universal)
Einfluß der 70er Jahre
Auch an ihrem dritten Album arbeiteten die drei Schwestern gleichberechtigt an Gesang, Instrumenten und bei den Kompositionen. Diesmal bedienen sich Haim noch intensiver bei Einflüssen der siebziger Jahre als auf den vorherigen Alben.Da wäre beispielsweise die bereits 2019 als Album-Vorbotin erschienene Single „Summer Girl“. Nicht nur ihre Bassmelodie erinnert deutlich an Lou Reeds Evergreen „Walk on the Wild Side“, auch das ikonische „Doot Doot“ des Chorgesangs wurde gleich mitübernommen. Die Ballade „Hallelujah“ und das ebenso vom Folk beeinflusste „Leaning on You“ könnten hingegen von Fleetwood Mac zu „Rumors“-Zeiten erdacht worden sein.
Lied über nutzlosen Lover und Depressionen
„And every day I wake up and make money for myself / And though we share a bed / You know that I don’t need your help“, vermittelt Danielle Haim ihrem nutzlosen Lover. In „Now I’m In It“ singt sie hingegen gegen Depressionen an. In Interviews haben die drei Schwestern über eigene Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Lebensphasen gesprochen.Mit der kraftvollen Stimme von Danielle Haim, Pop-Hookline und dem staccato-artigem Backgroundgesang ihrer Schwestern entwickelt sich der Song zur befreienden Kampfansage. In „I’ve Been Down“ wird das Thema erneut aufgegriffen. Ohnehin betreten Haim auf „Women in Music Pt. III“ textliches Neuland.
Während sie früher vorwiegend Beziehungsknatsch besangen, wagen sie sich nun an kontroverse Themen. In „Man from the Magazine“ benennen sie die dämlichen Fragen eines Interviewers. Alana Haim verarbeitet in „Hallelujah“ den Tod einer Freundin, Danielle Haim macht in „Summer Girl“ ihrem an Krebs erkrankten Partner Hoffnung. Ihr Freund Arielle Rechtshaid hat das Album gemeinsam mit Rostam Batmanglij (ex Vampire Weekend) produziert. Auch Danielle Haim war an der Produktion mitbeteiligt.
Bei insgesamt 16 Songs kommt „Women in Music Pt. III“ am Ende etwas zu überladen daher. Nichtsdestotrotz gelingt der US-Band Pop mit Ohrwurmtauglichkeit und Tiefgang. So ernst wie die drei auf dem Cover in die Gegend schauen, ist die Stimmung nicht. Bleibt also zu hoffen, dass sie nicht nur an Wursttheken Konzerte geben.
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