Am 21. Dezember vor 80 Jahren wurde Frank Zappa geboren. ROLLING STONE sprach 1968 mit dem Musiker über eine seiner größten Herausforderungen – mit einem Publikum zu kämpfen, das ihn anscheinend nicht verstehen will. Der 360-Grad-Rebell stand in seinem Haus im Laurel Canyon Rede und Antwort.
Glaubst du, das Publikum versteht deine Arbeit?
Letzte Woche in Salt Lake City waren wir ganz aufgekratzt. Wir hatten erstmals den Eindruck, dieses Mittelklasse-Publikum würde begreifen, worauf wir hinauswollen. Denn einige unserer Show-Elemente wurden mittlerweile von populäreren Bands übernommen, was die Hörgewohnheiten der Kids verändert hat. Sie hören diese anständigen Saubermänner im Radio und werden langsam ein bisschen toleranter.
Welche Elemente meinst du?
Elektronische Effekte, musikalische Spielereien. All den Lärm etwa, Takt- und Rhythmuswechsel. Weil man dazu natürlich nicht tanzen kann, hören sie jetzt einfach nur zu. Früher war das anders, das Publikum hasste uns. Es gehört ja zum tradierten Verhalten, dass Musiker dem Publikum gefallen wollen, dass sie sich nach Unmutsäußerungen entschuldigen und beim Publikum anbiedern, um wieder lieb gehabt zu werden. Wir haben das nie getan. Wir sagten den Leuten, sie sollen sich ins Knie ficken.
Nimmst du momentan neue Musik auf?
Wir haben zwei Alben im Ofen. Das eine heißt „Whatever Happened To Ruben & The Jets“ und ist noch ganz geheim. Das andere ist ein Dreifach-Album namens „No Commercial Potential“. Darauf zu hören ist eine achtminütige Live-Sequenz, aufgenommen, als New Yorker Polizisten unsere Aufnahmesession stürmten. New Yorker Bullen! Live! Aber man kann leider nicht dazu tanzen.
Ist euer Image eigentlich sorgfältig geplant?
Es gibt einen Unterschied zwischen Hippies und Freaks: Hippies ist es völlig egal, wie sie herumlaufen, Freaks hingegen nicht – da ist die Verpackung ein wichtiger Teil des Lebens. Ich sag den Jungs nicht, was sie anziehen sollen, ich habe nur darauf gedrängt, dass ihr Look zu unserer Musik passen sollte. Da gab es nämlich Handlungsbedarf.
Angeblich hast du gegenüber Davy Jones von den Monkees geäußert, dass du ihre Musik besser findest als die der gesamten San-Francisco-Szene. Hast du das ernst gemeint?
Ich sagte nur, dass sie besser produziert ist. Viele glauben, dass dieser San-Francisco-Rock kosmische Qualitäten habe, aber er ist nur industriell gefertigte Musik, und industriell gefertigte Musik ist wertlos. Natürlich sind die Monkees auch nur ein Produkt, aber ihre Platten klingen besser. Das Problem ist doch: Nach all dem Hype erwartete ich von den San-Francisco-Acts wahre Wunder, was ich dann aber hörte, waren weiße Bluesbands, die nicht halb so funky klangen wie meine alte High-School-Combo.
Welche aktuellen Bands magst du denn?
The Chrysales, Hendrix, Cream, Beefheart, Traffic.
Du warst kürzlich für 18 Monate in New York. War dieser lange Aufenthalt so geplant?
Nein. Es lief dort nicht besonders gut, doch dann erhielten wir das Angebot, während der Osterwoche im Garrick Theatre zu spielen. Wir waren so erfolgreich, dass man uns anbot, den Sommer über zu bleiben.
Und dort habt ihr dann damit begonnen, allerlei Seltsames auf die Bühne zu bringen …
Genau. Wir haben nichts ausgelassen. Eheschließungen auf der Bühne, Leute aus dem Publikum, die Reden hielten oder unsere Instrumente nahmen und „Louie Louie“ sangen, während wir einfach verschwanden. Unzüchtige Dinge, für die wir eine Babypuppe und eine Salami brauchten. Die große Sensation aber war unsere weiche Giraffe. Ray Collins massierte sie mit einer Froschhandpuppe, woraufhin sie Schlagsahne ins Publikum ejakulierte. Natürlich zu musikalischer Begleitung. Vor der Theatertür laberte ein Typ die Passanten an, versprach ihnen eine heiße Show. Die haben wir ihnen dann geliefert.
Waren diese Show-Einlagen Selbstzweck oder hatten sie irgendwas mit der Musik zu tun?
Musik kommentiert immer die gesellschaftlichen Gegebenheiten. Angesichts dessen, was im Namen unserer Regierung geschieht, war unsere Show doch vergleichsweise mild. Manchmal gibt es keinen Akkord, der hässlich genug wäre, um das auszudrücken, was du ausdrücken willst, also verlässt man sich eben auf eine mit Sahne gefüllte Giraffe. Zudem ist die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums begrenzt, derlei Aktionen halten die Leute bei der Stange. Eigentlich kamen diese visuellen Elemente eher zufällig zustande. Irgendjemand hatte uns eine Puppe gegeben, und eines Abends saßen ein paar Marines im Publikum. Die Idee war, dem Publikum zu zeigen, wie diese Typen wirklich sind. Ich warf ihnen die Puppe zu und sagte ihnen, die Puppe sei ein Schlitzaugen-Baby und sie sollten uns doch bitte zeigen, wie man in Vietnam mit Schlitzaugen umgeht. Sie rissen die Puppe in Stücke.
(Übersetzung: Uwe Schleifenbaum)
Ein Artikel aus dem RS-Archiv
Michael Ochs Archives Getty Images
via Rolling Stone
https://ift.tt/1XoKv2Y
https://ift.tt/38p8TfK