20.12.2021

Der falsche Blick

Teenager werden in Serien hypersexualisiert, findet unsere Autorin. Jugendlicher Sex sollte deshalb trotzdem kein Tabu sein.

Eine Teenagerin steht auf einem Rummel und blickt traurig in den Himmel

Die 17-jährige Rue geht auf die High School und ist drogenabhängig Foto: Sky

Vielleicht liegt es an meiner eher konservativen Erziehung, aber ich kann mir Serien, in denen Teen­age­r Sex haben, nicht ansehen. Ich finde es noch unangenehmer als damals mit den Eltern fernzusehen, während plötzlich eine Sexszene kam.

Ja, ich weiß schon, die Schauspieler*innen, die diese Rollen verkörpern, sind volljährig, und Sex sollte nie und vor allem auch bei ­Teenagern kein Tabu sein, aber mich beschleicht das Gefühl, dass manche Serien, die sich viel um die Sexualität von jungen Menschen drehen, nicht wirklich von der Zielgruppe konsumiert werden, und dann sitzen da so 30-Jährige wie ich und schauen ihnen dabei zu. Ich kenne beispielsweise kei­ne*n 15-Jährige*n, zumindest im deutschsprachigen Raum, der*­die „Euphoria“ schaut.

Die von Drake produzierte US-amerikanische HBO-Serie handelt von einer Gruppe High­school-­Schü­le­r*in­nen rund um die 17-jährige drogenabhängige Rue (gespielt von der großartigen Zendaya) und adressiert wichtige Themen wie Sexualität und Sexismus. Schon in der ersten Folge wird kurz auf die sexistische Darstellung von jungen Frauen in Pornos hingewiesen. Aber reproduziert die Serie diese Darstellung in einer abgeschwächten Form nicht auch selbst?

In der ersten Folge habe ich schon ohne Not mehrere Paar nackte Brüste von Teenagern gesehen. Und nein, natürlich sind nackte Frauenbrüste nicht das Problem, sondern ihre Sexualisierung. Aber wieso werden dann die männlichen Brüste in derselben Folge anders inszeniert? Es ist diese einschlägige Inszenierung von weiblichen Körpern durch den männlichen Blick, der mich die erste Folge abbrechen ließ.

Noch bevor ich es gegoogelt habe, hatte ich schon geahnt, dass die Serie von einem männlichen Produzenten – in dem Fall von Superstar Drake – und einem männlichen Regisseur gedreht wurde. Außerdem sind alle vier Kameramänner Männer. Als ich zu „Euphoria“ recherchiere, erfahre ich, dass Produzent Drake 2017, zu dem Zeitpunkt 30 Jahre alt, mit der Minderjährigen und Hauptdarstellerin in „Stranger Things Millie Bobby Brown“ (Jahrgang 2004) getextet haben soll. Bobby Brown stellte daraufhin klar, dass Drake lediglich ihr Mentor sei. Wenig später wurde bekannt, dass er auch mit der damals 17-jährigen Musikerin Billie Eilish schrieb, die aber ebenso klarstellte, dass Drake „der netteste Mensch überhaupt“ sei.

Während ich bei „Euphoria“ wahrscheinlich einfach zu sensibel bin, schließlich wurden die Sexszenen mit einer Intimitätskoordinatorin inszeniert und für jeweils eine Folge übernahmen drei Frauen die Regie, wurde dem Net­flix-Teenagerdrama „Cuties“ von 700.000 Menschen eine Hypersexualisierung von Teenagern vorgeworfen.

So viele unterschrieben 2020 eine Petition zur Entfernung des Films, weil die Darstellung der jungen Mädchen unangebracht wäre. Die Regisseurin – in dem Fall eine Frau – argumentierte, dass der Film eben genau diese Darstellung von jungen Frauen kritisiert. Es ist wahrscheinlich wirklich alles etwas komplizierter. Ich schaue für den Anfang trotzdem wohl besser das „Sex and the City“-Sequel mit den 55-jährigen Schauspieler*innen.



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